Trockene Augen nach allogener Stammzelltransplantation
  Speicheldrüsen- transplantation
 

Unterkieferspeicheldrüsentransplantation

Nach 4 Jahren Kampf ohne Tränenflüssigkeit habe ich jetzt wieder eine kontinuierliche Benetzung. Ich kann mich wieder ohne Schmerzen im Freien aufhalten, weite Strecken Autofahren, Skifahren, Radfahren, ohne Probleme am PC arbeiten usw. ...
Dies ist ein sehr großer Gewinn an Lebensqualität.
Möglich wurde dies durch eine Unterkieferspeicheldrüsentransplantation
 
Was wird gemacht?
 
Unterkieferspeicheldrüsentransplantation in den Augenbereich:
 
Eine Unterkieferspeicheldrüse wird mit Ausführungskanal entnommen und in die Schläfenregion Transplantiert. Dabei wird die Drüse an das dort vorhandene Gefäßsystem angeschlossen, damit sie durchblutet wird und der Ausführungskanal unter dem Oberlid vernäht. Die Unterkieferspeicheldrüse liefert das von den verfügbaren günstigste Sekret. Wichtige Nährstoffe und Muzine sind enthalten, größter Unterschied ist der Salzgehalt. Speichel ist hypoton im Vergleich zum Blutserum und auch im Vergleich zu Tränen, d.h. er enthält weniger Salz.
 
Die Transplantation wird von Prof. Peter Sieg - Gesichts- u. Kieferchirurgie - Univ. Lübeck durchgeführt:
Gesichts- u. Kieferchirurgie - Univ. Lübeck
Info zum Thema auf  der Lübecker Seite:
http://www.uksh.de/kieferchirurgie-luebeck/Informationen...

Es gibt nur noch zwei weitere Teams in der Welt, die eine solche chirurgisch sehr anspruchsvolle OP durchführen können (in China und Australien).
Die OP wird für jedes Auge einzeln durchgeführt, dauert ca. 4 1/2 Stunden und die Patienten werden für ca. 10 Tage stationär aufgenommen. Werden beide SMG-Drüsen nach einander transplantiert, so verlieren die Patienten hierdurch etwa 20% der Speichelmenge im Mundbereich, was allerdings unproblematisch ist. Es bleiben kaum sichtbaren Narben unter dem Kinn, am Hals, welche langfristig kaum störend sind.
Etwa nach drei Monaten erzielt die Speicheldrüse dann einen durchschnittlichen Benetzungswert auf der Augenoberfläche – Schirmertest von >20mm und einen BUT-Wert von 23 Sekunden.
 
Wann sollte eine solche OP in Erwägung gezogen werden?
 

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Wenn durch alle dargelegten therapeutischen Maßnahmen keine für den Patienten befriedigenden Ergebnisse erzielt werden können
 
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Wenn durch die mit dem totalen Sicca- Syndrom verbundenen Probleme eine schwere zur Erblindung führende Limbus- und Hornhautschädigung droht
 
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Wenn der Leidensdruck der durch das Sicca- Syndrom verursachten Beschwerden für den Patienten sehr hoch ist
 
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Wenn auf Grund der Sicca- Problematik eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit droht
 

 
Voraussetzung:
 
Eine gute Funktion der Speicheldrüsen: Die vorhandenen Speicheldrüsen dürfen nicht durch eine Grunderkrankung wie Sjörgren- Syndrom bereits in Mitleidenschaft gezogen sein. Dies wird vorab mit einer Speicheldrüsenszitigraphie getestet.
Pdf Arbeitsanweisung



links: vor OP beider Augen:
1 und 2: Ohrenspeicheldrüsen
3 und 4: Unterkieferspeicheldrüsen
rechts: nach der 2. OP, beide Unterkieferspeicheldrüsen sind jetzt in den Schläfen sichtbar
 
Risiken:
 
Die OP birgt natürlich zum einen die normalen Risiken jeder OP. Es könnte sein, dass die Drüse, oder der Kanal sich entzündet und ihren Dienst quittiert. Das ist aber sehr unwahrscheinlich. Dann kann es sein, dass nach etwa einem Jahr die Drüse zu viel Sekret liefert. Zu viel Sekretion, also ein ständiger Spüleffekt des hypotonen Speichels über die Kornea führt zum mikrocystischen Ödem und langfristig vielleicht auch zu einer irreversibler Schädigung der Hornhaut. Da aber mindestens jährlich Kontrolluntersuchungen anstehen, sollte es so weit nicht kommen. Sollte eine Drüse tatsächlich zu viel liefern kann durch einen kleinen unkomplizierten Eingriff die Drüse etwas verkleinert werden.
 
Häufigste Frage Nr1:
Hab ich danach keine Spucke mehr und Probleme beim Essen?
 
Nein! Die Unterkieferspeicheldrüsen produzieren etwa 20% des Speichels. 70% kommen von den Ohrenspeicheldrüsen, der Rest von der Unterzungenbeinspeicheldrüse und der Mundschleimhaut. Lediglich kurz nach der 2. OP ist mir aufgefallen, dass die Spucke jetzt etwas schleimiger ist als vorher. Die Unterkieferspeicheldrüsen produzieren ein eher wässrigeres Sekret, was jetzt fehlt. Nach 2 Tagen konnte ich den Effekt nicht mehr spüren und es hat sich alles ganz normal angefühlt. Nur beim Salzstangenwettessen fällt es vielleicht noch auf.
 
Häufigste Frage Nr2:
Sieht man nachher Narben?
 
Es gibt einen halbrunden Schnitt um das Ohr. Da sind normalerweise Haare drüber. Unter dem Kinn kann man noch etwas sehen, wenn man nach obern schaut. Wenn man in der ersten Zeit die Naht (nachdem die Fäden raus sind) mit einer Salbe gegen Narbenbildung regelmäßig einreibt bleibt davon auch kaum was übrig.


Foto 7 Tage nach OP:
Die Schwellung ist kaum noch zu sehen. Der Drüsenausgangskanal verläuft in etwa auf der Höhe eines Brillenbügels.
Die Drüse wird mit Gefäßen von unten vor dem Ohr kommend versorgt. Daher darf man in den ersten beiden Wochen keine Brille tragen. Oder mann kann den Brillenbügel auf dieser Seite abmontieren.

 
Häufigste Frage Nr3:
Ist da nachher eine Beule und ist das empfindlich?
 
Es ist eine leichte Erhöhung von etwa 5mm in der Mitte und 5cm Durchmesser an den Schläfen tastbar.
Das ist zwar recht unempfindlich aber Fußball und Boxen würde ich lassen :-)
Wenn die Drüse gut eingeheilt ist, (nach 3-6 Monaten) ist auch ein Helm kein Problem mehr. Es ist auch nicht schlimm  nachts darauf zu liegen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich über Nacht etwas sammelt und wenn ich dann morgens den Kopf zu Seite drehe kommt ein bisschen was gelaufen. Generell benutze ich jetzt nachts eine kochsalzhaltige (5%) Augensalbe. Das ist sehr angenehm. So ist sichergestellt, dass über Nacht die Hornhaut nicht quillt, bei zu viel Speichel und im Gegenteil, sich über Nacht eine eventuelle Trübung zurückbilden kann. Morgens habe ich dann immer klare Augen. Die Salbe (Zusammensetzung wie die Muro 128 von Bausch & Lomb aus den USA), sowie die 5% Kochsalztropfen, stellt Herr Rücker in der Globus Apotheke in Hofheim her und kann diese auch verschicken.
www.globus-pharma.de/kontakt/

Häufigste Frage Nr4:
Sind im Speichel keine Verdauungsenzyme, welche das Auge angreifen?
 
Der Hauptunterschied zu den natürlichen Tränen ist der Salzgehalt. Der Speichel enthält nur sehr wenig Salz. Dadurch kann es zu Hornhautquellungen, Ödemen und Epiphora (meistens am unteren Rand) kommen, wenn dauerhat zu viel von dem Speichel im Auge ist. Daher ist es von Vorteil, wenn man die Tänenkanälchen noch nicht verödet bekommen hat und keine Plugs darin sind. Der Speichel muß gut abfließen können. Wenn es zuviel wird, muß die Drüse sonst in einer kleinen OP verkleinert werden.
 
Häufigste Frage Nr5:
Muss ich beim Anblick von einem saftigen Schnitzel dann heulen?
 
Die ursprüngliche Ansteuerung der Drüsen ist über Nerven erfolgt welche bei der OP durchtrennt wurden. Da der abgeschnittene Nervenstumpf etwa 2 Monate braucht um eine Art Grundreizung zu erhalten dauert es etwa so lange bis die Drüse von sich aus kontinuierlich ein gewisses Maß an Sekret produziert. Ansonsten werden die Drüsen parallel zu den Schweißdrüsen aktiviert. Wenn man schwitzt werden die Augen nass. Bei Wärme, körperlicher Anstrengung oder beim Essen z. B. von etwas Scharfen oder Saurem.
In der Anfangszeit, eine Woche nach OP, kann man die Drüse mit Salagen-Tabletten testen (Zu der Zeit gab es noch keine Reaktion auf Scharf oder Sauer). Bei mir gibt es dann eine heftige Reaktion. Alle 5 Sekunden fällt ein Tropfen, der Effekt hält etwa 2 Stunden an.
 
Häufigste Frage Nr6:
Wie lange dauert es, bis ich nicht mehr tropfen muss?
 
In den ersten Wochen kommt nur etwas Schleim. Das behindert die Sicht eher und Du musst weiter tropfen. Nach etwa 2 Monaten wird es kontinuierlich mehr und auch kein Schleim mehr. Du musst immer weniger tropfen. Die 2. Drüse kann so etwa 3 Monate nach der ersten gemacht werden. Nach etwa einem halben Jahr erreicht die Drüse, laut Studien, ihr Maximum. Ich selbst würde sagen, dass ich erst nach einem Jahr keine weitere Zunahme mehr bemerkt habe. Manchmal ist es so, als ob die Drüse trainiert werden müsste. Wenn am Anfang (nach etwa 2 Monaten) durch Anstrengung und Wärme der Fluss angeregt wird, steigt danach schubweise auch der kontinuierliche Fluss.
Obwohl das Sekret der Speicheldrüse recht wässrig ist, sind ausreiched Muzine enthalten, welche den Tränenfilm stabilisieren können. Daher ist auch bei einem Schirmer Test von nur 5-10 mm schon kein Trockenheitsgefühl mehr vorhanden und eine klare Sicht möglich.
 
Häufigste Frage Nr7:
Ist es schmerzhaft nach der OP?
 
Schmerzen hatte ich nur in den ersten beiden Tagen etwas beim Schlucken. Das lag aber nur daran, dass ich bei der ersten OP die Narkose mit Gas bekommen hatte, auch die Übelkeit. Es geht auch ohne Gas, man muss nur fragen. An der Schläfe habe ich kaum etwas gemerkt. Die Kopfhaut bleibt um die Naht ein paar Wochen taub. In den ersten Tagen muss man mit dem Kauen sehr vorsichtig sein, weil die Drüsen direkt über den Kaumuskeln liegen. Daher gibt's 2 Wochen Brei und Suppe. Anschließend muss man wieder trainieren den Mund weiter zu öffnen, da die Muskulatur etwas spannt. Ich konnte am Anfang kaum 2 cm den Mund öffnen, jetzt ist es wieder fast normal.
Wie ist es jetzt nach 2 Jahren
 
Sekretfluss Kontinuierlich / Spontan:
 
Prinzipiell muss man den kontinuierlichen Speichelfluss vom spontanen unterscheiden. Die Abhängigkeit der kontinuierlichen Speichelproduktion von der Wärme ist sehr stark.
Im Januar 2011 habe ich die linke Drüse um etwa 2/5 reduzieren lassen. Vorher ist bei normaler Zimmertemperatur, bei PC - Arbeit der Schirmer Test bei mir links zwischen 15 und 60mm, rechts zwischen 5 und 20mm geschwankt. Links war der kontinuierliche Fluss bei mir immer etwa 3x stärker als rechts. Jetzt ist der kontinuierliche Fluss links dem rechten ziemlich gleich.
Daher kann es sein, dass ich bei wenig Speichel alle paar Stunden mal was tropfe. Wenn es etwas mehr ist, dann war es rechts prima und links schon zu viel. Jetzt ist es links auch in Ordnung. Eine Trübung habe ich nur noch sehr selten. Der Sommer wird es zeigen.
Im Moment muss ich fast nie tropfen und habe immer klare Sicht.
Meine Tränenpünktchen sind noch offen, daher fließt es immer gut ab und bleibt nicht über dem Unterlid stehen.
Der spontane Fluss kann sehr schnell reagieren. Beim Essen von etwas Scharfem oder Saurem läuft sofort (nach 5 Sekunden) das Sekret aus den Augen, dabei kann alle 2-5 Sekunden ein Tropfen fallen. Hier reagiert das rechte Auge bei mir etwas schneller und stärker. Auch bei körperlicher Anstrengung reagiert es sehr schnell. Eigentlich immer wenn man etwas schwitzt, gleich aus welchem Grund. Hier beobachte ich einen seltsamen Effekt. Bei starken Anstrengungen über mehrere Stunden wie Radfahren ist selbst bei extremen Fluss die Sicht klar. Erst in den Pausen, wenn sich die Augen etwas beruhigen, kann es ewas eintrüben. Hätte nie gedacht, dass ich Wind an den Augen mal als angenehm empfinden könnte.
Mit der Reaktion auf Wärme und Anstrengung und Schärfe lernt man schnell umzugehen.
Ich kann meine trockenen Augen meistens völlig vergessen und alles scheint normal.
 
Trübung:
 
Die Trübung entsteht durch Hornhaut Quellungen durch das fehlende Salz. Es sind winzigste Wasser-Einschüsse (Mikrozysten) oder geplatzte Zellen in der Hornhaut an denen sich das Licht streut. Nach zeitlich begrenztem, heftigen Fluss ist das Verhalten, ähnlich, wie man es nach einem langen Schwimmbadaufenthalt kennt. Die Sicht ist etwas trüb (vom Chlor denkt man). Nach 15-30 Min. verschwindet der Spuk dann wieder. Das Aufklaren kann ich mit 5%igen Kochsalztropfen meistens beschleunigen.
Wenn es den ganzen Tag sehr warm ist und der Tränenfluss kaum zur Ruhe kommt wird es schwieriger. Da im kontinuierlichen Fluss bei mir links mehr floß, kam es vor dass ich im linken Auge durch die Trübung den ganzen Tag kaum etwas sehen konnte, auch die Kochsalz Tropfen helfen dann nicht mehr. Rechts geht es meistens trotzdem noch gut.
Jetzt nach der Reduktion der linken Drüse macht das linke Auge auch keine Schwirigkeiten mehr.
Nachts hatte ich eine kochsalzhaltige Salbe 5% verwendet.
www.streitburg-apotheke.de/streitburg-apotheke/kontakt/ )
Die Augen konnten sich dann regenerieren und morgens hatte ich dann wieder klare Sicht.
Jetzt brauche ich die Kochsalzsalbe nicht mehr. 
 
Fazit:
 
Bei PC- Arbeiten oder Autofahren, muss ich nicht mehr tropfen und habe schmerzfrei klare Sicht. Im Freien habe ich ja meistens körperliche Bewegung und daher selbst bei Wind kaum Probleme.
Der Gewinn an Lebensqualität ist kaum in Worte zu fassen.

Da ich als Tränenersatz seit Jahren ausschließlich Eigenblut-Serum tropfe, lässt sich der Erfolg auch am Verbrauch des Serums ablesen, welchen ich protokolliert habe:
Anfangs habe ich alle 10-20 Minuten getropft, jetzt nur noch wenig, eher abends, oder alle paar Stunden vor dem PC. An manchen Tagen gar nicht.
Wer sich wundern sollte:
Bei dem Verbrauch von etwa 3/4 Liter Blut / Monat hatte ich mit 2 x Ferrosanol dudenal 100mg / Tag meinen HB-Wert gehalten. Später auf 1 x Tägl. Jetzt nur noch alle 2 Tage.
Die Verbrauchsspitzen im Januar kamen durch Skiurlaube zu Stande :-)



Links zu Studien zu diesem Thema:
Sieg - SMGTs long-term results 2010.pdf :
Long-Term Follow-up after Submandibular Gland Transplantation in Severe Dry Eyes Secondary to Cicatrizing Conjunctivitis
 
 
Sieg-Geerling - salivary gland functioning KCS Jan08.pdf:
Innervation and Secretory Function of Transplanted Human Submandibular Salivary Glands
 
Sieg-Geerling - SMG transfer results KCS - June08.pdf:
Long-term results of autologous submandibular gland transfer for the surgical treatment of severe keratoconjunctivitis sicca
 
Sieg-Geerling - salivary gland transpl Sicca 08.pdf:
Transplantation of the Major Salivary Glands
 
In Deutsch:
 
Schröder - Ergebnisse SMG-Transplantation 2003.pdf :
Mehrjahresverlauf nach Autotransplantation der Unterkieferspeicheldrüse bei vernarbender Keratokonjunktivitis mit absolutem Tränenmangel
 

 
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